Gjumri

Gjumri ist die zweitgrößte Stadt in Armenien, dennoch hat sie eher Kleinstadtcharakter.

Gab es heute morgen in Bjurakan noch ein Gewitter und schwand anfangs die Zuversicht trocken durch den Tag zu kommen, wurde es dann aber langsam freundlicher. Bei angenehmen Temperaturen konnte ich dann langsam Richtung Gjumri starten. Die private Unterkunft in Gjumri zu finden war nicht gerade einfach. Mit der "Wegbeschreibung" über Booking klappte es schon mal gar nicht. Die Eingabe der Adresse ins Navi führte zwar in eine Straße mit dem angegeben Namen, dann aber auch in eine Sackgasse. Eine dort von mir angesprochene Frau holte dann ihre englisch sprechende Tochter und nach einem Telefonat mit der Unterkunft, man spricht dort kein englisch, war das Problem dann schnell gelöst. Ohne die Hilfe der jungen Frau wäre ich dort im Leben nicht hingekommen.

Meine Herberge

Kostenlose Literatur von 1989 - Quelle Katalog

1988 ist in Gjumri durch ein Erdbeben ziemlich viel zerstört worden, sind mehr als 25000 Menschen in Gjumri und der Umgebung ums Leben gekommen. Der Innenstadtkern ist durch den Wiederaufbau in einem deutlichen besseren Zustand als ich es in anderen Städten oder Dörfern gesehen hatte. An vielen kleineren Häusern nahe des Innenstadtkerns wird noch gearbeitet, werden Ruinen wieder bewohnbar gemacht.

Jetzt sitze an einem Außentisch eines Restaurants am Vartanants Square gegenüber der City Hall vom Gjumri und gönne mir ein Ankommbier, warte auf mein Essen und werde gleich noch einen kleinen Bummel durch die Innenstadt machen. Seit 18 Uhr schallt von der City Hall aus mehreren Lautsprechern laute Musik über den Platz. Mit dem Springbrunnen und Denkmal erinnert es mich an Goris im letzten Jahr. Es scheint also üblich zu sein, die Menschen mit lauter Musik zu unterhalten. 

Doch dann dringt aus dem Inneren des Lokals ebenfalls laute Musik. Durch die langgezogene Fensterfront und den teilweise offenstehenden Fenstern sehe ich offenbar Schüler und Schülerinnen, alle tragen weiße T-Shirts, bei einer Schul-oder Klassenfeier. Auf den langen Tischen stehen unterschiedliche Speisen, trinkt man ausnahmslos alkoholfreie Getränke. Die Mädchen springen auf und tanzen zur Musik, während die Lehrerinnen vergeblich versuchen die über ihrem Essen gebeugten Jungen zum Tanzen zu animieren.

Der Trchkan Wasserfall soll ein beliebtes Ausflugsziel der Armenier sein. Er befindet sich in der Nähe von Gjumri und wird daher mein heutiges Ziel. Nun befinden sich Wasserfälle nicht immer an Örtlichkeiten an denen man, wie beispielsweise in Norwegen, nur dran vorbeifahren muss. In diesem Fall liegt der Trchkan Wasserfall sogar weit von einer so genannten guten Straße entfernt.
Die Straßenkarte und "Kurviger", meine Navigations App, sagen etwas anderes als Google. 2:1 denke ich und folge der Karte. 45 Minuten später und etwa 400 Meter von der Asphaltstraße entfernt auf einem mehr als buckeligen, in sich schrägen, steil aufwärts führenden und mit tiefen Querrillen versehenen Weg drehe ich wieder um, weil ich mein bis dato jungfräuliches Umfall Konto nicht unnötig belasten möchte. Mit ach und krach kann ich wenden und nehme die Google Alternative in Angriff. 1 Stunde 45 Minuten. Ob sich das für einen Wasserfall lohnt? Egal, das weiß ich erst nachher.

Noch 25 km oder laut Google noch 45 Minuten bis zum Ziel, was zumindest in Bezug auf die Durchschnittsgeschwindigkeit auf schlechte Wegverhältnisse schließen lässt, fahre ich vom Highway ab und auf eine breite gut befahrbare Schotterpiste. Knapp 5 km vor dem Ziel deutet ein Hinweisschild das erste Mal darauf hin, dass es hier tatsächlich zum Wasserfall geht. Und zwar den Rest auf einem Wanderweg. Ein fester Erdweg mit zwei Fahrspuren. Das sollte zu schaffen sein.
Relativ flink geht es mal rauf und mal runter. Einzelne Schlammpfützen kann ich über die angrenzende Wiese umfahren oder lassen sich gut durchfahren. Meist geht es in Sichtweite des nicht sehr breiten Chichkan, dem Flüsschen der den Wasserfall speist.

Dann stehe ich quer davor und weiß, dass ich da irgendwie durch muss. Das Motorrad stelle ich erstmal ab und wate durch das Schotterbett des relativ schnell fliesenden Flüsschens auf der Suche nach einer seichten Stelle. Die Socken werden langsam nass als ich das andere Ufer erreiche. Nun gut ich habe es also schon mal geschafft. Jetzt das Ganze nochmal mit Motorrad.

Schon jetzt weiß ich, dass sich der Weg gelohnt hat. Ein paar breite und von Fahrzeugen zerfurchte Matschsenken noch und dann sind es nur noch 800m. Die nächste, diesmal keine Pfütze, sondern schon eher eine, die gesamte Breite des Weges einnehmende Wasserstelle vor Augen, stelle ich das Motorrad ab und gehe zu Fuß. 3 Fahrzeuge und eine Handvoll Menschen, überwiegend junge Leute, halten sich an den wenigen BBQ Plätzen auf oder fotografieren sich gegenseitig am Wasserfall.

Es dauert nicht lange und ich werde auch hier von ihnen angesprochen und wir wechseln ein paar Worte auf Englisch.
Der Trchkan Wasserfall wird unter anderem als der Niagara Wasserfall Armeniens beschrieben.
Nun ist das mit einem Superlativ natürlich immer so eine Sache, im Verhältnis zur Größe des Landes möchte man dem dann aber fast zustimmen. Auf jeden Fall ist er mit 23 Meter Höhe der höchste in Armenien. Ein junger Mann meint dann auch etwas relativierend, dass der Shaki Wasserfall mit nur 18 m Höhe wesentlich mehr Wasser führe.

Dunkle Wolken ziehen wenig später auf. Ich schaffe es gerade noch rechtzeitig und bin trocken in der Unterkunft, als das Gewitter, das die halbe Nacht anhalten wird, mit Hagel losbricht.

Tags: Armenien