Aragat

Gestern Nachmittag war ich auf meiner weiteren Fahrt noch zur Kathedrale in Etschmiadsin gefahren, dem religiösen Zentrum Armeniens.

Die Kathedrale hatte leider geschlossen, aber dafür herrschte bei einer anderen Kirche auf dem großen Kirchenkomplex Massenandrang. Man sollte eben nicht auf einem Sonntag eine Kirche besuchen wollen.

Von dort ging es zu meinem Gästehaus in Bjurakan. Geduscht und los. Das "Observatorium Byurakan" steht für das 1946 gegründete und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion aufgegebene Observatorium, mit dem in Sowjetzeiten das Universum erforscht worden war. In der Nähe gibt es erste, einer ansonsten großen Anzahl über die ganze Gegend verteilter Gebäude und Spiegel. Nach 15 Minuten zu Fuß bin ich dort, wissend, dass es nicht das sein wird, was ich am nächsten Tag erkunden möchte. Ich könne eine Führung buchen meint die junge Frau im Office in sehr gutem englisch, was ich jedoch freundlich ablehne, weil ich eigentlich nur ein paar Fotos machen möchte. Das sei auch kein Problem, dann könne ich im Bus mitfahren und müsste nicht mal etwas bezahlen. So sitze ich im Minibus zwischen dem Fahrer und der jungen Frau und hinter mir eine Schulklasse, die rege versucht ihre paar Brocken englisch mit mir aufzubessern. Danach geht es wieder zurück in die Pension, wo bereits mein Abendessen wartet. Kein Fast Food. Keine Hotelkost. Armenische Hausfrauenkost. Was will ich mehr.

Zur Kirche von Tegher fahre ich später eigentlich nur, weil mir die junge Frau gesagt hatte, dass man von dort einen hervorragenden Blick auf das Observatorium habe. Ich bin allein auf dem Parkplatz und außer 2 älteren Frauen auch in der kleinen Kirche. Es scheint wie bei vielen chinesischen oder anderen Restaurants oder auch Frisören, montags ist auch in Kirchen nicht viel los. Auf dem Rückweg allerdings kommt mir ein Hochzeitskorso entgegen. Manche haben eben doch keinen Ruhetag. 

Es kann nicht schaden früh unterwegs zu sein, zumal man weiß, dass man etwas nicht ganz legales machen wird. Auf dem Campingplatz hatte ich erfahren, dass es auf einem anderen, außerhalb des Ortes  Gelände die wesentlich interessanteren Gebäude geben solle in denen scheinbar die Zeit stillzustehen scheint und sogar noch Schaltpulte und anderes interessantes zu sehen gäbe. Das Gelände sein umgeben von einer Mauer und am eigentlichen Zufahrtstor gäbe es einen "Aufpasser". Tickets seinen nur über eine Agentur in Yerewan zu erhalten. Es gäbe da aber eine Stelle.....

Ich finde diese Stelle und überwinde die Mauer. Im wahrsten Sinn des Wortes über Stock und Stein kracksel ich den Hügel hinauf und schlage ich mich durch die Büsche. Ich komme mir vor wie auf der Pirsch oder auf dem Kriegspfad. Es bleibt still. Kein verdächtiges Fahrzeug nähert sich. Hinweise auf Videokameras nehme ich anfangs ernst, doch dann frage ich mich, ob die in den vergangenen Jahrzehnten nicht zumindest gestohlen worden sein könnten. Die ersten Gebäude sind verschlossen. Weiter auf einem alten asphaltiertem Weg in die Richtung wo ich ein weiteres Gebäude gesehen habe. Ein Pkw steht dort. Es wird der "Aufpasser" sein. Ich versuche es von einer anderen Seite und sehe eine Anlage, die mein Interesse erheblich steigert. Doch wo ist der Aufpasser? Teils halb gedukt nähere ich mich einem riesigen Spiegel. Dann nähert sich ein weiterer Pkw von hinten. Der Pkw fährt vorbei, hält an und ein junger Mann in kurzer Jeans steigt aus.

Wenig später sehe ich eine Familie die genau an dem großen Spiegel steht, den ich zuvor entdeckt hatte. Was auch immer wahr oder nicht wahr war an den Informationen die ich auf dem Campingplatz erhalten hatte, das war mir in diesem Augenblick jedoch schlagartig egal. Ich stand außerdem vor dem Gebäude das ich finden wollte. Das Gebäude mit Schaltpulten wie zu Zeiten eines früheren James Bond Films.

Ich fahre zum See des Aragat in 3200 m Höhe. Auf einer schmaler werdenden schlecht asphaltierten Straße, jedoch ohne erkennbare Schlaglöcher, komme ich immer wieder an Nomaden mit ihren Schafherden vorbei. Ein Junge bietet am Straßenrand stehend einen kleinen selbst gepflückten Blumensträuße zum Kauf an. Er möchte 500 AMD, ich gebe ihm 200 (ca. 45 Cent). Angemessen finde ich, zahle ich später an der Festung Amberd 200 AMD für den Parkplatz.

Kühl ist es hier oben auf 3200 m Höhe. Rund um den See und weiter zur Spitze des knapp über 4000 m hohen Aragat breite Schneefelder. Mein Sommeranzug, weiter unten schafft er während der Fahrt angenehme Kühlung, wärmt bei gefühlten Temperaturen nur knapp über dem Gefrierpunkt nicht wirklich. Ich mache trotzdem eine kleine Pause und frage einen Autofahrer, da mein Motorrad im Gegensatz zur BMW vom letzten Jahr keine Temperaturanzeige hat, wieviel Grad wir denn haben. Seine Antwort irritiert mich anfangs, doch dann verstehe ich, dass mit 57 nur Fahrenheit, also knapp 14 Grad Celsius gemeint sind. 

Im direkt am See liegenden Restaurant muss ich mich dann jedoch einmal kurz ärgern. Zum wiederholten Male stelle ich fest, dass man als single Reisender deutlich schlechtere Karten hat. Neben dem einen oder anderen Nachteil, stelle ich immer wieder fest, dass man mit einem Single nicht so viel Umsatz machen kann wie mit einen Pärchen oder einer Familie. Entsprechend werden einem dann schon mal andere, meist schlechtere Plätze zugewiesen. Ich werde von einer unfreundlich wirkenden Mitarbeiterin vom Platz direkt am Wasser auf einen hinteren verwiesen mit der Begründung er sei reserviert. Bereits in Garni erlebte ich ähnliches, zeigte man jedoch Einsicht, als ich vorgab das Lokal wieder verlassen zu wollen.
Jetzt sitze etwas weiter weg, aber dennoch nur wenige Meter vom See entfernt und bin zufrieden. Erst Recht als ich mit einem Schmunzeln feststelle, dass sich an meinen "alten" Tisch 4 Personen setzen und dieser sogleich auch mit Gläsern eingedeckt wird, die 4 dann aber wenige Minuten später aufstehen und gehen. Ein Pärchen, dass zuvor den Außenbereich betreten und ohne Kontakt zum Personal sich an einen ähnlichen Tisch gesetzt hatten, wurden anstandslos bedient. Es gibt schlimmeres.

Auf der Rückfahrt fahre ich noch an der Festung Amberd vorbei. Es reicht für eine Besichtigung, bevor es dann aber wieder zurück zur Pension geht. Ich freue mich auf eine Dusche und ein Bier und nehme mein Abendessen, nach armensicher Art zubereiteter Fisch, auf der kleine Terrasse ein. Nach einem eindrucksvollen und teils doch anstrengendem Tag zeigt mir mein vom letzten Unfall lädiertes Knie, dass es Zeit wird die Beine hochzulegen.

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