Yerevan

Der Campingplatz bietet soviel Komfort und liegt zudem sehr günstig zu Yerevan und dem Rest des nördlichen Armeniens, daher beabsichtige ich länger zu bleiben und von hier aus einzelne Tagestouren zu unternehmen.

Nach einem reichhaltigen Frühstück, ich hätte mein Zelt aufbauen können, gönne mir aber B&B da mir der Rücken ein paar kleine Probleme bereitet, fahre ich nach Yerewan.
Mein erstes Ziel ist das "Surb Grigor Lusavorich Medical Center", dass ich nun auch mal von außen kennenlerne, und statte den beiden mich damals so unglaublich entspannt und freundlich behandelnden Ärzten einen kurzen und genauso freundlichen, ja fast herzlichen Besuch ab. War scheinbar eine nicht alltägliche Geschichte vor einem Jahr, denn auch zwei Schwestern erinnern sich sofort.



Danach parke ich mein Motorrad nahe des Opernhauses mit der Erlaubnis eines Parkwächters im "red line" Bereich am Fahrbahnrand und lasse mir von ihm versichern, dass die Polizei keine Probleme machen werde. Einen Parkplatz in diesem Teil der Stadt zu finden, in dem der Verkehr einem keine großen Möglichkeiten bietet mit einem Motorrad in eine kleine Parklücke zu manövrieren, ist schon für sich ein Abenteuer. 

Ständig hat man das Gefühl gleich umgefahren, nicht wirklich wahrgenommen oder als niederes Fahrzeug eingestuft zu werden, das Platz zu machen habe. Immer wird man zudem begleitet vom Hupen derer, die nur irgend jemanden grüßen wollen, denen es nicht schnell genug voran geht, die mal eben zack die Spur wechseln wollen oder die einfach nur einen nervösen Daumen zu haben scheinen. Quasi als Ergänzung zu diesem Konzert mischen sich hier und da noch die Trillerpfeifen der den Verkehr regelnden Polizisten mit ein. Zum nötigen Bass tragen dann noch die nicht seltenen rußig qualmenden Lkws sowjetischer Bauart bei. Ich bin jedenfalls froh einen Parkplatz gefunden zu haben und lasse mich einfach treiben, in einem Teil der Stadt, in dem eigentlich fast alles Sehenswerte anzutreffen ist.

Vorbei am Opernhaus, wo ich nur bis ins Foyer komme und dann wieder hinauskomplementiert werde und am Fuße der Kaskade von Yerewan vorbei, einer Treppenanlage und beliebtem Aussichtspunkt der Stadt, stehe ich vor dem "Matendaran" und weiß nicht so recht vor was eigentlich genau. Ich entschließe mich hineinzugehen, löse ein Ticket und stelle fest, dass ich in einem Museum oder besser in einer Bibliothek gelandet bin in der etwa 17.000 altarmenische und Jahrhunderte alte Handschriften aufbewahrt werden. Im Internet lese ich dann später, dass das Magazin seinerzeit zwar atombombensicher in den Fels hingehauen untergebracht worden ist, man heute allerdings mit Wassereinbrüchen zu kämpfen habe.

In der "Blauen Moschee" ist der Eingang zum Gebetsraum zwar mit Stühlen versperrt, dennoch habe ich von dort aus einen komplett ungehinderten Einblick. Umgeben von Wohnhäusern ist die eigentliche Moschee Teil eines quadratisch um einen Garten, mit schattenspendenden Bäumen an einen Springbrunnen, angelegten Rings aus einstöckigen aneinandergereiten kleineren Gebäudeeinheiten. Unter anderen sind dort, ein Seminarraum, eine Bücherei, die Räumlichkeiten des Iman oder auch eine eigene kleine Polizeiwache untergebracht. Auf einer Bank am Springbrunnen genieße ich für einen längeren Augenblick die relative Ruhe, die der äußere Ring aus Wohnhäusern diesem Kleinod bietet.

Kaskade

Matendaran

Sacrale Kunst auf dem Schädel eines Wels

"Blaue Moschee"

Am "Platz der Republik" vorbei, wo sich gefühlt der ganze Verkehr Yerewans zu treffen scheint, sitze ich dann in einem Bistro bei einer Cola und lasse das wuselnde Meer der Passanten an mir vorbeiziehen. Fast hat man den Eindruck als sei man in London oder Amsterdam, im Grunde sogar einer belebten kleineren deutschen Innenstadt. Mag man zuhause vielleicht denken, dass man hier zum Beispiel vielerorts verschleierte Frauen sähe, unterscheidet sich das Bild auf den ersten Blick nur in der landestypischen Architektur oder den Kraftfahrzeugen die zuweilen deutlich russischer Art sind. In ländlichen Gegenden erscheint es mir dann oft sogar noch ausgeprägter. Was mir auffällt ist, dass nur wenige, dann nur junge Männer, mit Shorts bekleidet sind. Die Kleidung der Frauen hingegeben unterscheidet sich in keinster Weise der sommerlichen Kleidung in Westeuropa. 

"Platz der Republik"

Am Abend treffe ich Ashot. Ashot ist etwas jünger als ich, hat in Armenien Germanistik studiert und ist nebenberuflich Dolmetscher.
Als im letzten Jahr ein Polizist zu mir ins Krankenhaus kam um meine Aussage aufzunehmen hatte Ashot übersetzt. Wir unterhielten uns damals über dies und das und am Ende gab er mir seine Telefonnummer. Von Ashot erfahre ich dann, was im Grunde für den überwiegenden Teil Osteuropas bzw. in diesem teil Asiens gilt und augenscheinlich allgegenwärtig ist, dass die Schere zwischen Arm und Reich erkennbar auseinander geht. Allerdings, sagt er, täusche es auch, denn vielfach werden teure Autos auf Kredit gekauft nur um zu zeigen, dass man etwas hat, was man eigentlich gar nicht hätte. Aber unterscheidet sich das nun wirklich von z. B. Deutschland?
Das durchschnittliche Monatseinkommen liegt in Armenien hingegen liegt bei etwa 350 €. Ashot bekam für seine Dienste als Dolmetscher seinerzeit umgerechnet etwa 2000 DRAM was ungefähr 4,50€ entspricht und er zeigt sich überrascht, dass ich mir im Ruhestand eine solche Reise finanziell leisten könne, denn in Armenien bekäme man etwa 40.000 DRAM Rente, umgerechnet etwa knapp 100 €. Viele Armenier seien zudem arbeitslos weil es unter anderem keine Großindustrie gäbe. Als wir uns verabschieden schäme ich mich fast ein wenig, da ich für eine Übernachtung auf dem Campingplatz pro Nacht 19.000 DRAM zahle, aber auch, weil er meine Frage welches Getränk er wolle, mit der Begründung ablehnte, er habe kurz zuvor bereits etwas getrunken. Ich nehme nach unserem Gespräch jedoch an, dass es eher aus einer gewissen Zurückhaltung heraus geschah und der Tatsache geschuldet sein könnte, dass er sich schlicht ein Getränk zu 600 DRAM nicht leisten wollte.

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