Ausgewechselt

Südfrankreich: Seit ein paar Tagen scheint hier nur noch Herbstwetter zu herrschen. Es wechseln sich Sonne, Wolken und Regen ab und auch die Temperaturen schwanken zwischen 16 und 20 Grad, außerdem ist es ziemlich windig, was zumindest hier normal sein soll.
Unterwegs bei Sète, südlich von Montpellier
Hatte ich schon mal erwähnt, dass man auf einer solchen Tour ziemlich viele Erfahrungen machen kann? Eine davon ist, dass mir, bezogen auf das, was man einpacken sollte oder am besten Zuhause lässt, was man also auf einer solchen Tour mitnimmt, einfach die Erfahrung fehlte. Natürlich habe ich mir Tipps aus dem Internet geholt, mir wochenlang immer mal wieder eine neue Liste erstellt und dann wieder etwas weggestrichen und mir war zum Beispiel auch klar, dass ich einen Satz Reifen mitschleppen kann aber nicht muss. Obwohl die Reifen, wenn sie rechts und links am Tankschutzbügel befestigt würden, bei einem erneuten Umfaller sicherlich nützlich wären.
Ich war zu dem Ergebnis gekommen, dass ich Volumen und Gewicht sparen musste, wollte und konnte. Da hätte ich bei mir anfangen können, aber soviel muss es bei mir dann doch nicht sein. Blieb also nur noch das Gepäck. In dem Paket auf das ich wartete befanden sich Ersatz bzw. Ergänzungen und nachdem es sage und schreibe laut Sendungsverfolgung 7 Tage in Greven / Deutschland herumgelegen oder vielleicht auch geschoben worden war, brachte man es dann endlich wenigsten schon mal über die Grenze nach Frankreich. Unter "Express" verstehe ich eigentlich etwas anderes. Nach 12 Tagen kam es dann endlich an. Nachdem alles ausgetauscht bzw. ergänzt war ging es wieder auf die Piste. Die Carmargue sollte mein nächstes Ziel sein, erreiche sie aber nicht mehr, auch, weil ich bei Starkregen erstmal eine größere Pause einlegen muß. Da hatte ich den ganzen Tag Glück gehabt und konnte eine dunkle Regenwand nach der anderen umfahren oder war einfach nur einen kleinen Tick schneller, will mir der Wettergott zum Schluss noch mal eben zeigen wer der Bessere ist.
Da stehe ich dann hinter einem Baum weil weit und breit kein Dach zu finden ist und versuche irgendwie trocken zu bleiben. Vielleicht hat jemand ja mal den Spruch gehört, schon wieder ein Spruch, "...So schlank, da kann man sich ja hinter einem Baum umziehen". Oder war es eine Laterne? Egal, eine solche Aussage ist natürlich relativ. Ich hätte keine Probleme mich hinter ein 300 jährigen Eiche umzuziehen, hier bin ich schon froh, dass der Baum einen Durchmesser von ca. 20 cm hat. Und umziehen will ich mich schon gar nicht. Und warum überhaupt das Ganze? Weil ich bei schönen Wetter losgefahren war und meine Motorradjeans anhatte.
Das Hotel ist dann mindestens genauso schlecht wie das Wetter. Das einzig saubere sind Bett und Duschkabine. Den Teppichboden im unmittelbaren Benutzungsbereich decke ich nach dem Duschen mit den beiden Badelaken ab. So wie der aussieht kann da alles mögliche drin sein. Anschließend gehe ich zum "Buffalo Grill" und gönne mir eine XXL Portion Spareribs und ein Bierchen.
Vielleicht doch ein paar Wildpferde?
Vielleicht gibt es in der Carmargue tatsächlich noch wilde, weiße Pferde, die meisten jedenfalls scheint man eingefangen zu haben und stehen auf Weiden oder Koppeln. Als ich "Saintes-Maries-de-la-mer" erreiche ist das Bild des weißen Pferdes auch hier allgegenwärtig und sei es nur als Statue in einem Brunnen. Ansonsten ist "Saintes-Maries-de-la-mer", etwa 50 km unterhalb von Nimes, ein netter kleiner Touristenort am Meer zur einen und an den Lagunen ins Landesinnere zur andere Seite gelegen. Mir gefällt die niedrige Bauweise der Häuser und auch die Touristenshops und sonstigen Geschäfte fallen fast schon ein wenig nur am Rande auf. Die Straße führt aus dem Ort wieder heraus Richtung Norden und durchquert ein weites Lagunengebiet. Wie schon im Delta des Ebro bei Amposta sind auch hier unglaublich viele Flamingos zu sehen. Hier stehen sie fast greifbar nahe an der Straße und lassen sich, vermutlich durch den normalen Fahrzeugverkehr schon konditioniert erst durch das Geräusch meines Motorrades aufschrecken und fliegen davon.
Vor meiner Unterkunft in Lafare
Auf dem Weg zum Mont Vertoux
Nach einer guten Nacht in Lafare, einem kleinen Dorf etwas östlich von Orange, geht es über den 1900 Meter hohen "Mont Vertoux" in die Provence. Die Temperaturen sinken von anfangs 20 Grad auf unter 10 Grad. Ich fühle mich zwischenzeitlich wie auf dem Dach der Welt oder zumindest auf einem kleinen Vordach und blicke von oben auf die umliegenden Berggipfel. 4 km vor dem Gipfel weist ein Schild auf die Sperrung der Straße hin. Fahrräder seien ausgenommen. Okay sage ich mir, gucken wir mal. Insgeheim denke ich natürlich, dass dann auch Platz sein sollte für ein Motorrad. Kurz vor dem Gipfel dann die Sperrung und ein Fotograf nebst Hinweisschild auf Sportfotos lässt mich glauben, dass es sich um eine Sportveranstaltung handeln könnte. Ich habe meinen Kindern immer gesagt, dass es keine dummen Fragen gäbe, sondern nur dumme Antworten. Anschließend weiß ich, dass es keine Sportveranstaltung gibt, sondern eine Baustelle der Grund der Sperrung ist und er als kommerzieller Fotograf den vorbeifahrenden Rennradfahrern nur seine gemachten Fotos im Internet anbietet. Ich fahre weiter zum Gipfel, werde mit einer grandiosen Aussicht belohnt und stelle mal wieder fest, dass man immer noch umdrehen kann, wenn es dann wirklich nicht mehr weitergeht. Ein paar weitere Motorradfahrer sehe ich dann auf dem Gipfel auch.
Die Provence steht unter anderem für Lavendel. Da ich nun Anfang Juni dort unterwegs bin lag es nahe meine Tour so zu verändern, dass ich durch entsprechende Anbaugebiete fahren würde. Langsam verschwindet der Mont Vetoux und je weiter ich wieder in tiefere Regionen gelange desto höher werden auch wieder die Temperaturen. Roch es eben nach Nadelgehölzen bin ich mit einem Schlag wieder einmal in einer anderen Welt. Jetzt rieche ich einen mir nicht unbekannten Duft und spontan fällt mir der Wäscheschrank meiner Großmutter ein. Seit Tagen habe ich fast nicht anderes gesehen als Weinanbaugebiete und plötzlich bin ich umgeben von Lavendelfeldern soweit das Auge reicht. Leider bin ich zu früh, nicht was die Tageszeit betrifft, da müsste ich mich eigentlich etwas sputen, sondern was die Jahreszeit betrifft. In dieser Region wird man die Intensität des Duftes und der Farben erst ab etwa Mitte Juni so richtig genießen können, aber ich sehe dennoch genug um mir bewusst zu werden, dass hier in den nächsten Wochen ein unglaubliches Farben- und Duftspektakel abgehen muss. Natürlich habe ich Fotos gemacht, aber selbst mit Photoshop werden sie keine Preise einheimsen, zu schwach ist noch die Ausprägung. Aber schon jetzt ein unglaublicher Wechsel für die Sinne.
In Montagnac, auf halbem Weg zwischen Avignon und Nizza, sitze ich abends in einer der beiden Restaurants bzw. Bistros des Dorfes und verbringe dort unerwartet den ganzen Abend. Auf der kleinen Terrasse bei Bier sitzend lese ich neue und auch ältere WhatsApp Nachrichten. Da die warme Küche noch nicht geöffnet hat muss ich mit meiner Essenbestellung noch etwas warten. Um mich herum trudeln nach und nach fünf junge Familien ein. Ein lockeres, scheinbar auch zufälliges Treffen. Später muss ich dann einem der Gäste erklären, dass "Je ne parle pas francais", was dem Ganzen jedoch keinen Abbruch tut, denn flugs ist ein Übersetzer zur Hand der aus dem Französischen ins Englische übersetzt. Als der Franzose später des Bieres zu viel hat, habe ich mit dem Übersetzer noch eine nette Unterhaltung.
Tags: Frankreich