tiefdunkle Wolken - ein schlechtes Omen?

Tag 89: Heute könnte es also weitergehen. Nach einer unruhigen Nacht wache ich noch vor Sonnenaufgang auf. Quatsch, die Sonne wird den ganzen Tag nicht aufgehen oder zumindest nicht zu sehen sein. Tiefdunkle Wolken wohin ich sehe, dazu ein solcher Wind, dass es einen an die Novemberstürme in Norddeutschland erinnert. Wenn das man gut geht.
Es regnet Bindfäden, trotzdem gelingt es mir in einer kleinen Regenpause das Motorrad zu bepacken. Ich habe beschlossen die Autobahn zu nehmen. Kostet zwar Maut, aber bei dem Wetter gönne ich mir das einfach mal. Wenn ich schon Geld wegen der Zimmernachbuchung in den Wind - wie passend - geschossen habe, kommt es auf die paar "Mark" mehr oder weniger auch nicht mehr drauf an. Nach 45 Minuten taucht aus dem Grau der tiefhängenden Regenwolken eine Brücke auf. Noch wenige hundert Meter und ich werde den Rio Guadiana, den Grenzfluss zwischen Portugal und Spanien überqueren. Eine Mautstelle, bei der ich die 3,80€ hätte bezahlen müssen kommt nicht mehr, stattdessen aber eine Kontrollstelle. Pylonen, ein Container und ein kleines Holzhäuschen. Polizei. Noch bin ich auf portugiesischem Boden, aber es sind spanische Polizisten. Der Lkw vor mir wird weitergewunken und ich angehalten.
Wie schon Wochen zuvor stelle ich fest, dass man in Spanien offenbar kein oder nur sehr wenig englisch spricht oder nicht sprechen will. Mein "Germany", Alemania" wäre vermutlich besser gewesen, reicht aber aus um mich an die Seite zu winken. Einen Ausweis will man von mir nicht, stattdessen händigt man mir einen kleinen Zettel aus, versehen mit Datum, Kennzeichen, "alemania" und einem Stempel. Der auf dem Zettel vermerkte spanische Text bedeutet laut meines Übersetzungsprogrammes ungefähr soviel, dass es mir erlaubt sei Spanien im Transit auf dem kürzesten Weg und in der Zeit, die dafür erforderlich ist zu durchfahren.
Kein Wort von Autobahn, aber kürzester Weg. Eigentlich ist meine Tour schon fast sowas wie eine Abkürzung, aber auch kurvenreich. Da können schon mal 2 Wochen erforderlich werden. Der Rest wird sich zeigen, außerdem muss ein Reifenwechsel her. Kann auch dauern.
Ich setze mich wieder auf mein Motorrad und fahre los. Als ich ungefähr in der Mitte der Brücke ankomme und damit die Grenze überfahre, man mag es belächeln oder nicht, habe ich plötzlich ein Gefühl im Mund als hätte ich in ein Stück Schokolade gebissen an dem noch ein Stück Silberpapier hängt und ein feuchter Nebel legt sich über meine Augen. Ich habe es geschafft. Ich kann endlich weiterfahren.
Und die Fahrt geht genauso weiter wie sie in Portugal begonnen hatte. Wahre Wassermassen fallen vom Himmel. Ich halte auf dem Standstreifen an, weil ich keine 10 Meter mehr weit gucken kann. Ich fürchte, dass der schlagartig aufkommende böige Wind mich umwirft und klappe den Seitenständer aus. Nach kurzer Zeit spüre ich es, das zunehmend kühl und feuchter werdende Gefühl in meinem Schritt. Die Hose scheint nicht das zu halten, was der Hersteller versprochen hatte. Aber vielleicht war es auch einfach nur zu viel Wasser auf einmal.
In der Gegend von Sevilla fahre ich auf eine Tankstelle und kaufe mir nach Wochen das erste Mal wieder einen Kaffee und darf ihn sogar an Ort und Stelle austrinken. Überhaupt sehe ich auf den Straßen vielmehr Autos und Menschen als in Portugal. Es scheint, als sei man einer gewissen Normalität ein großes Stück näher gekommen. Auch sehe ich keine Kontrollen und erfahre später von meiner Vermieterin, dass man sich wieder normal in der Öffentlichkeit bewegen könne. Granada sei die einzige Provinz in der der Lockdown noch komplett bestehe und vermutlich auch in nächster Zeit noch bestehen werde. Das ist schade, da die Sierra Nevada, der ich auf jeden Fall einen Besuch abstatten, ja ich mich sogar einen Tag länger dort aufhalten wollte, in dieser Provinz liegt. Aber irgendwie führt mein kürzester Weg doch auch daran vorbei. Könnte man dann nicht...?
Wohnzimmer meiner Hacienda
Tags: Spanien