Nasenring oder 150 Km Umweg

Portugal. Welchen Tag haben wir heute eigentlich und der wievielte Tag ist es? Bei Neugeborenen spricht man nach der Geburt von Tagen, nach einigen Tagen von Wochen und irgendwann von Monaten. Ich glaube, ich bin noch so gerade im Wochenmodus.

Ich ziehe weiter. Nicht weit, aber weiter. Erstmal für 5 Nächte nach Faro. Und dann soll es endlich nach Spanien gehen. Vier Wochen an einer Stelle, 7 Wochen Algarve insgesamt reichen. Da überall nichts los ist, werde ich in Faro vermutlich einen mega Strandabschnitt fast für mich allein haben. Für die nächsten Wochen wohl auch das letzte Mal. 

Ab dem 2. Mai sollen in Spanien wieder einige Geschäfte öffnen dürfen, ein Frisör wäre mal nicht schlecht, und ab dem 9. Mai soll die Ausgangssperre gelockert werden. Die Grenze wird mit Sicherheit noch nicht wieder für Jedermann geöffnet sein, aber wichtig wäre es schon, dass man sich in Spanien wieder relativ frei bewegen kann. Somit heißt es nur reinkommen. Jetzt ist der Moment gekommen, wo ich meinen Trumpf aus dem Ärmel holen kann: "Ich möchte zurück nach Deutschland!"

Naja, die Richtung stimmt zumindest, aber dass muss ich ja nicht Jedem auf die Nase binden. EU-Bürgern, die nach Hause wollen, stehen die Grenzen offen und man bekam bis dato eine Art Passierschein. Mal sehen, ob das noch so ist. Der Rest wird sich zeigen wenn ich im Land bin. Und irgendwann wird Frankreich vielleicht auch davon absehen, dass ein "Transitreisender" nur auf der Autobahn direkt nach Deutschland fahren muss und ich kann und darf mich auch da freier bewegen, als es zur Zeit dort möglich ist. Da das in Spanien zum Glück nicht zu gelten scheint stünde, leicht zeitversetzt, der Beibehaltung meiner ausgearbeiteten Tour zumindest für Spanien im Augenblick nichts mehr im Wege. Jetzt darf ruhig mal wieder etwas anderes NICHT passieren.

Ich stand die Tage an meinem Motorrad und habe etwas dran "rumgefunmmelt", Kette musste auch mal wieder gespannt werden, und da sprach mich ein deutsches, vollmaskiertes "älteres" Ehepaar an, er im "Laschet-Style", und wollte wissen, ob ich auch hier "hängen geblieben" sei. Man sei schon seit Oktober !!!! hier und käme jetzt nicht weg. Sie seien zwar nicht unter Zeitdruck, aber wollten im September doch schon wieder hier sein. Er mache sich Gedanken, wie er wieder nach Hause käme und welche Grenzen geöffnet hätten, weil der ADAC.....

Auf meine Frage, warum er denn über Lissabon und nicht über Spanien zurückfahren wolle bekam ich zur Antwort, dass das doch 150 km Kilometer mehr seien. Irgendwie war da schlagartig die Luft aus dem Gespräch und ein Blick zu seiner Frau zeigte mir, dass er bei den beiden zumindest die planerischen Hosen anhat. So unterschiedlich können Prioritäten sein oder werden. Da hat man alle Zeit der Welt, sitzt seit Wochen irgendwo fest und dann macht man sich wegen 150 km Umweg Gedanken.

Ich hingegen mache mir langsam Gedanken, wo ich mir einen neuen Satz Reifen besorgen könnte, denn ich kratze an der 10.000 km Marke.

Zwei Tage zuvor traf ich "Basti". So der Typ Schwiegersohn im "Surferlook" würde ich mal sagen. Nasenclip, Ring war es wohl nicht, blaue Augen, sonnengebräunte Haut, Ende 20, vielleicht auch gerade über 30, längere, wellige blonde Haare. Hatte ich die weißen, scheinbar makellosen Zähne schon erwähnt? Er saß in seinem umgebauten Lieferwagen mit Bett und Spüle. 

Ich hatte gerade, mutig geworden, eine steile diesmal trockene Pflasterstraße, ähnlich wie in Braga erklommen und war auf einem kleinen Parkplatz an einer Burgruine angekommen. Dort stand als einziges Fahrzeug ein Lieferwagen mit deutschem Kennzeichen. Es dauerte etwa 10 Millisekunden und ich hatte ein Gespräch gefunden. Nicht, dass ich danach gesucht hätte, aber irgendwie ergab es sich.

Basti war auch in Portugal "hängen" geblieben, allerdings nicht im Zuge von Corona sondern schon etwas länger. Es schien, als habe seine Frau, einer Portugiesin, einen nicht geringen Anteil daran. Zuvor erzählte er mir, dass er in Deutschland irgendwann alles hingeschmissen habe und nur noch habe reisen wollen, am liebsten auf eine Weltreise gehen. Unterwegs habe er sich immer mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten. Hier in Portugal habe er mit einigen Anderen ein altes Gemäuer komplett wieder aufgebaut, die Menschen in diesem Land und auch seine Frau kennengelernt. Er wolle zwar immer noch z. B. nach Patagonien, aber auch eine Familie gründen.

Trotz Nasenring waren wir uns irgendwie ähnlicher als ich es mit dem älteren Ehepaar je sein würde.

Gestern war schon morgens der Himmel fast wolkenlos und so packte ich das Nötigste zusammen und fuhr nochmals an die Westküste der Algarve. Es war eigentlich weniger die Küste die mich reizte sondern die Aussicht auf einen sonnigen und kurvenreichen Tag im Monchique-Gebirge. Diesmal war wirklich der Weg das Ziel und als ich abends zurückkam, waren jede Minute, waren jeder Kilometer die ich in meinem Hintern zu spüren begann es wert gewesen.

Video ist in Vorbereitung...…………...

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